Elohai

Elohai, „Mein Gott“, im Unterschied zu „Eli“ eine zuversichtliche und innige Gebetsanrede, durch welche die herzliche, persönliche Gemeinschaft mit Gott zum Ausdruck kommt. Alttestamentliche Gläubige, der Psalmist und die Propheten bedienen sich mehr als 40-mal dieser Anrede. Nachdem David seinem Sohne Salomo Verfügungen über den Tempelbau erteilt hatte, richtete er ein abschließendes Mahn- und Verheißungswort an seinen Thronfolger: „Denn der Gott Jahwe, mein Gott, ist mit dir“ (1. Chronika 28,20). Er soll darum wacker und rüstig sein. Sein Gott wird ihn nicht verlassen. Er wird nicht Sein Heil von ihm abziehen. Eine oftmalige Verheißung (vgl. 5. Mose 31,6.8; Psalm 138,8; Josua 1,5; Hebräer 13,5). - Salomo bedient sich im Tempelweihgebet der gleichen Gebetsanrede: „Wende dich aber zum Gebet deines Knechtes und zu seinem Flehen, Jahwe, mein Gott, dass du hörest auf das Rufen und auf das Gebet, das dein Knecht vor dir betet“ (2. Chronika 6,18). Sogar ein Prophet bedient sich der intimen Anrede, dass er nur redet, was sein Gott zu ihm sagt (2. Chronika 18,13).

Sehr stark von Daniels Bußgebet ist das öffentliche Gebet Esras beeindruckt. Beide Gottesmänner bedienen sich mehrfach der Gebetsanrede: „Mein Gott“ (Daniel 9,4.19.20; Esra 9,5.6). Bei aller tiefen Selbstbeschämung wissen sie von einer persönlichen Gemeinschaft mit ihrem Gott, trotz der Scheidewand der Sünde.

Verhältnismäßig oft bedient sich Nehemia der vertrauten Gebetsanrede: „Mein Gott!“ Er ist der Mann der Bibel, der die kürzesten Gebete ausspricht, deren Erhörung auf dem Fuße folgte. Er untersuchte die Beschaffenheit der Mauern Jerusalems, weil er, wie er sagte: „Was mir mein Gott in den Sinn gegeben hatte“ (Nehemia 2,12). Es zeugt von einer innigen Verbindung mit Gott. Mehrfach spricht Nehemia die Bitte aus: „Gedenke mir mein Gott zum Guten alles“ (Nehemia 5,19; Nehemia 6,14; Nehemia 13,14; Nehemia 22,31), damit beendet er auch sein Buch. Ehe er eine Sache ausführte, berief er sich auf die Tatsache: „Und mein Gott gab mir den Gedanken ein“ (Nehemia 7,5). Es ist anders als etwas in seinem Herzen vornehmen (vgl. Prediger 7,2). Wer auf göttliche Eingebung achtet, berät sich nicht mit Fleisch und Blut (vgl. Galater 1,16).

In den Psalmen begegnet dem Leser die vertrauliche Gebetsanrede „Mein Gott“ etwa 40-mal Es ist die Gebetsschule des Alten Bundes, in der man Gott so anredet. David bittet: „Stehe auf Jahwe, hilf mir, mein Gott!“ (Psalm 3,8). Neben Jahwe, dem treuen Bundesgott, steht „mein Gott“ als Ausdruck des persönlichen Glaubens. Der Hilferuf gründet sich auf bisherige Glaubenserfahrungen, deren Einzelerlebnisse bis in die Gegenwart gehen. Der König bedient sich in seinem Morgengebet, dem ersten Tagewerk, der Gebetsanrede: „Horche auf mein lautes Rufen, mein König und mein Gott!“ (Psalm 5,3). Es ist bedeutsam, wenn der theokratische König, der die Stelle des Unsichtbaren vertritt, mit ganz Israel Jahwe als seinen König und seinen Gott anbetet. Er begründet in der Morgenröte seine Bitte auf Gottes Heiligkeit, denn er ist nicht ein Gott wie ein „Nicht-Gott“ (5. Mose 32,21), dem Gottlosigkeit gefällt (Psalm 5,5). In der Anrufung des Weltrichters gegen Verleumdung und Vergeltung des Guten und Bösen verbindet David mit der zweimaligen Gebetsanrede: „Jahwe mein Gott“ (Psalm 7,2.4) sein oftmaliges Glaubens-, Liebes- und Hoffnungswort: „In dich finde ich Zuflucht“, oder: „In dich vertraue ich“ (vgl. Psalm 11,1; Psalm 16,1; Psalm 31,2; Psalm 71,1). In der Gefahr des Erliegens, weil es scheint, Gott habe ihn vergessen, fleht der Psalmist: „Schaue doch, antworte mir, Jahwe, mein Gott!“ (Psalm 13,4). Er selbst ist ratlos und kann sich selbst nicht helfen (vgl. Jesaja 63,15). Der um Hilfe Rufende erfleht Antwort von seinem Gott. David schaut Gott rühmend im Rückblick auf sein Leben und er nennt am Eingang des Psalmes 10 Gottesnamen (vgl. Psalm 18,2-3). Er spricht später noch zweimal den Namen „Elohai“ - „Mein Gott“ aus (vgl. Psalm 18,29.30). In, mit und durch seinen Gott vermag er alles, denn seine Kraft wird in Schwachheit vollendet. Jahwe, sein Gott, erleuchtet seine Leuchte (2. Samuel 21,17; 1. Könige 11,36).

Hilfsbedürftig und voll Heilsverlangen erhebt der Sänger seine Seele zu Jahwe empor (vgl. Psalm 86,4; Psalm 143,8), dem Gott, der allein sein Verlangen stillen kann. Er erhebt sich zu Ihm empor, den er glaubenszuversichtlich mit „mein Gott“ anredet (Psalm 25,2). „Nicht werde ich zuschanden!“, ist die Hoffnung des Glaubens (vgl. Psalm 31,2.18; Römer 5,5). Nach überstandener Krankheit, die an den Rand des Todes führte, sagt der Sänger: „Jahwe, mein Gott, ich schrie zu dir, da heiltest du mich“ (Psalm 30,2). Wegen der Erhörung seines Gebetes spricht er am Schlusse seines Psalms aus: „Jahwe, mein Gott, ewig will ich dich loben“ (Psalm 30,13). Wie sehr die Anrede: „Jahwe, mein Gott“ eine Vertrauensanrede ist, lässt sich mit der Aussage begründen: „Aber ich, auf dich vertraue ich, Jahwe, spreche: Mein Gott bist du“ (Psalm 31,15). Es ist zu beachten, dass die Sprache des Propheten Jeremia, die in den Psalmen tief eingetaucht ist, in ihrer zarten Empfindung, Liebessehnsucht und ihrem Schmerz mit dem 31. Psalm verwandte Züge aufzuweisen hat. Jesus entnahm diesem Psalm sein letztes Kreuzeswort.

Wie Thomas (Johannes 20,28), sagt auch der Psalmsänger: „…Wache doch auf zu meinem Rechte, mein Gott und mein Herr!“ (Psalm 35,22), und er bedient sich noch der Anrede: „Jahwe, mein Gott“ (Psalm 35,23). David klammert sich mit beiden Händen fest an den Gott des Himmels und der Erde als an seinen Gott. Der Sänger des Bußpsalms verzweifelt an sich selbst, aber nicht an Gott, dass er Ihm zutraut: „Du, du wirst antworten, o Herr mein Gott“ (Psalm 38,16). Er fürchtet nichts, solange Gott bei ihm ist, darum bittet er: „Mein Gott, sei nicht ferne von mir!“ (Psalm 38,22). Der bittende Glaube gelangt zum frohlockenden Glauben.

In der Äußerung über Gottes Unvergleichlichkeit erscheint dem Sänger die Fülle der göttlichen Wunder und Heilsgedanken so gewaltig, dass er ausspricht: „Viel hast du ausgeführt, Jahwe, mein Gott, deiner Wunder und Gedanken für uns“ (Psalm 40,6). Er spricht im Gottvertrauen. Im Blick auf die alttestamentlichen Tieropfer spricht der Psalmist weissagend vom Messias: „Zu tun deinen Willen mein Gott, begehre ich“ (Psalm 40,9). Bei der Darbringung des gottwohlgefälligen Opfers stand Christus in innigster Gemeinschaft mit Gott, dessen Willen Er willig erfüllte. In Zurückversetzung seiner Nöte, ruft der Sänger zu Gott seinem Helfer und Erretter: „Mein Gott zögere nicht!“ (Psalm 40,18; Daniel 9,19.) Ein festes Gottvertrauen ist nachahmenswert. Vom Heimweh nach Zion in Feindesland ist die Seele des Sängers niedergedrückt. Dreimal im Jahr gingen die Israeliten ins Heiligtum (2. Mose 23,17; 2. Mose 34,23), um vor Gottes Angesicht zu erscheinen, wenn der Mensch Sein Angesicht auch nicht schauen kann, ohne zu sterben (2. Mose 33,20). In der Fremde tönt ihm der höhnende Ruf entgegen: „Wo ist dein Gott?“ Der Dichter aber rafft sich auf zu dem Bekenntnis des Vertrauens: „Harre auf Gott, denn noch werde ich ihm danken, dass er meines Angesichtes Heil und mein Gott ist“ (Psalm 42,6.12; Psalm 43,5). Die verschiedenen Benennungen: „Gott meines Lebens“ (Psalm 42,3.9), „Gott meine Stärke“ (Psalm 43,2), „Gott, mein Fels“ (Nr. 286 siehe dort) (Psalm 42,10), „meines Angesichtes Hilfe“ (siehe dort) (Psalm 42,12), „Gott meine Freude und Wonne“ (Psalm 43,5), „meine Hilfe und mein Gott“ (Psalm 43,5), in der Verbindung mit der Frage: „Wer ist nun dein Gott?“ (Psalm 42,4.11) zeugen von zunehmender Glaubenskraft, die immer zärtlicher die Namen Gottes gebrauchen lehrt.

In seinem Bußgebet bittet David nach dem Luthertext: „Rette mich von den Blutschulden, Gott, der du mein Gott und Heiland bist!“ (Psalm 51,16.) Es heißt wörtlich: „Gott, du Gott meines Heils“. Unumwunden bekennt er sein todeswürdiges Verbrechen und wendet sich zuversichtlich und mit vollem Vertrauen an seinen Gott. Sein Glaube wagt aus der Tiefe seiner Blutschuld sich zur Höhe der göttlichen Gnade.

Der Psalmist, ein Flüchtling in der Wüste, wo Gott die Tränen der Seinen aufbewahrt (Psalm 56,9), spricht in Glaubenszuversicht: „Wenn ich rufe, so werde ich inne, dass du mein Gott bist!“ (Psalm 56,10); im hebräischen Text heißt es: „Das weiß ich, dass du mein Gott bist, oder: dass Gott für mich ist.“ Es ist eine unwandelbare Grundfeste des Glaubens. Ein tröstliches Wissen, dass Gott für uns ist (vgl. Römer 8,31; Psalm 118,8).

Die peinlichsten Ereignisse im Leben Davids dienen immer wieder dazu, den Schatz der heiligen Gesänge Israels zu bereichern. Die Verfolgung Sauls stimmt des Sängers Harfe zum 59. Psalm. Dreimal bedient sich der Verfolgte der Gebetsanrede: „Mein Gott“ (Psalm 59,2.11.18). Er bittet um Errettung von seinen Feinden, er vertraut, dass sein Gott ihm mit Seiner Gnade entgegenkommt. Der Psalm schließt mit dem Gottesnamen: „Gott meiner Gnade“ (Psalm 59,18). Der Name besagt ein Dreifaches: 1. Alle Gnade Gottes ist für Seine Heiligen da, es ist die vergebende, belebende, stärkende, tröstende und bewahrende Gnade; 2. für jeden Gläubigen ist ein ausreichendes Teil der Gnade Gottes vorhanden (vgl. 2. Korinther 12,9); 3. Gott hat es auf sich genommen, das bestimmte Teil Seiner Gnade für Sein Volk zu verwalten und zu bewahren.

Der von Saul verfolgte David dichtete den Leidenspsalm (Psalm 69), auf den außer Psalm 22 das Neue Testament am meisten hinweist. Er begehrte in seiner bittersten Not nichts Dringenderes, als seinen Gott (Psalm 69,4). Ihn sein zu nennen, war ihm alles. Das Gesicht verging ihm, dass er solange auf seinen Gott harren musste. Die Bitte in Psalm 70,6 ist eine Wiederholung mit geringer Änderung von Psalm 40,18; statt „Mein Gott“, wie im Luthertext, steht hier Jahwe. Es ist berechtigt, die verschiedenen Namen Gottes anzuwenden, denn jeder hat seine Schönheit und Majestät.

In dem so genannten Alterspsalm (Psalm 71) findet sich die Anrede: „Mein Gott“ zweimal in der Verbindung mit der Bitte um Befreiung aus der Hand des Bösewichtes und ihm zur Hilfe zu eilen (Psalm 74,4.11). Im Jubel zu dem Gott des Lebens nennt der Psalmist Jahwe: „Mein König“ und „mein Gott“ (Psalm 84,4; vgl. Psalm 5,3). Er bringt seinem göttlichen König die Huldigung seines Herzens. Mit einem zweifachen „mein“ hält er Gott wie mit beiden Händen fest. Der Gebetsruf: „Hilf deinem Knecht, du mein Gott“ (Psalm 86,2) vereinigt sehr sinnvoll „dein Knecht“ und „mein Gott“. Auf Grund dieses Verhältnisses erwartet er Gottes Hilfe. Siebenmal steht in diesem Psalm der Gottesname „Adonai“ - „Herr, der nach der Sprache der Masora, der Wahre und Wirkliche bedeutet, der auch mit der Anrede „Mein Gott“ (Psalm 86,12) verbunden ist. Zuerst befand sich der Sänger im Gebetskampf (Psalm 86,2), jetzt (Psalm 86,12) in voller Begeisterung des Lobpreisens.

In dem Psalm, der das Sechstagewerk der Schöpfung besingt, rühmt der Sänger: „Jahwe, mein Gott, sehr groß bist du!“ (Psalm 104,1). Dieser Ausruf verschmilzt Kühnheit des Glaubens mit heiliger Ehrfurcht. „Mein Gott“ sagt er zu Jahwe in Seiner Unendlichkeit, gleichzeitig sinkt er von Gottes Größe überwältigt in den Staub, dass er ausruft: „Du bist sehr groß!“ Gott war am Sinai groß, dass Er Sein Gesetz mit den Worten eröffnete: „Ich, Jahwe, bin dein Gott!“ (2. Mose 20,2; 5. Mose 5,6.) Die Größe Jahwes ist kein Grund, dass der Glaube nicht zur persönlichen Verbindung mit Gott führt. Es ist des Sängers Freude, dass sein Gott ein großer Gott ist, der Schöpfer des Universums. Der Sänger kommt zu dem Entschluss, Jahwe sein Leben lang zu loben, in engster Gemeinschaft mit dem Schöpfer, der ewig lebt und Leben gibt, dass er sagt, ich will singen „und meinen Gott loben, solange ich bin!“ (Psalm 104,33.) Er hat Anteil an dem Herrlichen und ist mit Gott auf das engste verbunden, dem sein Lob erschallt.

Der 109. Psalm wird mit Unrecht den so genannten Rachepsalmen zugeordnet, die es im Alten Testament überhaupt nicht gibt. Die lang und breit sich ergießenden „Anathemas“, wie in keinem anderen Bibelteil, erklären sich aus dem Selbstbewusstsein Davids, dass er der Gesalbte des Herrn ist. Die Verfolgung Davids war nicht nur eine Versündigung an ihn selbst, sondern auch an dem Christus in ihm. Weil Christus in David ist, nehmen die Aussprüche des Zorngeistes einen weissagenden Charakter an. Der Inhalt des ganzen Psalmes offenbart keine Privatrache. In diesem Sinne ist sein Hilferuf verständlich: „Stehe mir bei, Jahwe mein Gott“ (Psalm 109,26) Im Glauben erfasst er Jahwe und erfleht Seine Hilfe, dass Er ihm beisteht, die schwere Last zu tragen.

Für „Mein Gott“ steht im hebräischen Text „Eli“ und „Elohai“ in Psalm 118,28: „Mein Gott (Eli) bist du, mein Gott (Elohai), ich will dich preisen.“ Der Gott, der so mächtige und wunderbare Taten vollbracht hat, ist sein. Alles Lob, dessen seine Seele fähig ist, bringt er Ihm dar. Er will Ihn erhöhen, denn Jahwe hat ihn erhöht. Im letzten der sieben Bußpsalmen bittet der Psalmist: „Lehre mich vollführen deinen Willen, denn du mein Gott, bist du (vgl. Psalm 40,6), dein guter Geist führe mich in ebenem Lande!“ (Psalm 143,10.) Gott ist sein Gott, der ihn, den äußerlich und innerlich Angefochtenen nicht auf dem Irrwege lassen kann. Sein guter Geist, der des Menschen Heil fördert, leitet ihn in ebenem Lande. Der geographische Begriff: „erez mischor“ - „ebenes Land“ (vgl. 5. Mose 3,10; Josua 13,9.17; Josua 20,8; Jeremia 48,8.21) für die gewellten Hochlandflächen Moabs, ist hier wie auch sonst, geistlich gewendet (vgl. Maleachi 2,6; Jesaja 40,4; Psalm 45,7; Psalm 67,5). Die letzte, hierhin gehörige Psalmstelle hat die Anrede: „Mein Gott, o König!“ (Psalm 145,1; vgl. Psalm 5,3; Psalm 84,4.) Der Sänger, der selbst König ist, nennt Gott mit diesem Namen, weil Er Ihm Sein Hoheitsrecht anerkannt. In ganzer Hingabe und Anhänglichkeit nennt er den König im höchsten Sinne in seinem Gelübde: „Mein Gott.“ Seine untertänige Stellung erkennt er durch den Titel: „O König“ an.

Der Prophet Jesaja bedient sich nur an einigen Stellen der Anrede: „Mein Gott“. Jesaja sieht sich ans Ende der Tage versetzt, er feiert das Geschaute in Psalmen und Liedern. Die Anrede: „Jahwe, mein Gott bist du“ (Jesaja 25,1), am Anfang seiner Weissagung erinnert an Psalmstellen (vgl. Psalm 31,15; Psalm 40,6; Psalm 86,12; Psalm 118,28; Psalm 143,10; Psalm 145,1; vgl. Jeremia 31,18). Es sind vorbildliche Stellen. Es wird den Israeliten, denen Gottes Erhabenheit und Unverstand des Götzendienstes zum Bewusstsein gekommen ist, die Frage vorgelegt: „Warum sagst du, Jakob, und sprichst du, Israel, verborgen ist mein Weg Jahwe, und meinem Gott entgeht mein Recht?“ (Jesaja 40,27.) Die Kleingläubigen, aber doch Heilsbegierigen, die Zagenden, aber nicht Verzweifelten, dürfen glauben, dass ihr Weg vor ihrem Gott nicht verborgen ist, Er geht auch nicht am Unrecht ihrer Unterdrücker vorüber. - Der Knecht Jahwes kam sich vor, als hätte er sich umsonst abgemüht, für Hauch und Leere seine Kraft verzehrt. Er aber tröstet sich, dass sein Recht bei Jahwe und sein Lohn bei seinem Gott ist (Jesaja 49,4). Das ist in Kürze der Lebenslauf und der Ertrag des Gottesknechtes. Sein Glaube und seine Hoffnung sind nicht erschüttert. Er spricht die getroste Zuversicht mit den Worten aus: „Mein Gott ist meine Stärke“ (Jesaja 49,5). Im Bewusstsein der eigenen Schwäche findet er in seinem Gott die Kraft (vgl. Jesaja 12,2; Psalm 28,7; Psalm 118,14).

Der Prophet Jeremia berichtet nur einmal die Anrede: „Mein Gott“. Ephraim spricht zu Jahwe. Er erkennt Gottes Züchtigung durch die Feinde, und ließ sich zurechtweisen. Die Einsicht, dass eine Rückkehr zu Jahwe nötig ist, veranlasst zu der Bitte: „Bekehre du mich, so bin ich bekehrt.“ Bekehrung ist ein Gotteswerk. Ephraim begründet seine Bitte mit den Worten: „Denn du Jahwe, bist mein Gott!“ (Jeremia 31,18.) Es muss zu Gott und Jahwe sich bekehren. Wer schon sagen kann: „Mein Gott“, hat eine gute Grundlage dafür, dass Gott ihn bekehrt.

Der Prophet Hosea enthüllt Gottes Strafe zur Bekehrung und Erneuerung unter dem Bilde des Ehebundes Jahwes mit Israel (Hosea 2,16.25). Gott schließt einen Bund für sie, um Ihn zu erkennen. Die Folge dieser Bundesschließung ist Gottes volle Bereitschaft, Sein Volk reichlich zu segnen. Jahwe hört dann alle Bitten, die von Seiner Gemeinde aufsteigen. Israel heißt dann wieder eine Begnadigte und ein Volk Gottes. Das erkennt dann umgekehrt Jahwe, dass es sagt: „Mein Gott!“ (Hosea 2,25.) - Schnell wie ein Aar wird über das Haus Jahwes das Gericht hereinbrechen, weil sie den Bund gebrochen haben. In Israel sollte, wollte und möchte Gott wohnen (Hosea 9,8.15; 4. Mose 12,7; Jeremia 12,7; Sacharja 9,8). Das abgefallene Volk beruft sich in der Not auf seine Kenntnis von Gott. Sie schreien zu Ihm: „Mein Gott, wir kennen dich, wir Israel“ (Hosea 8,2). Es ist ein totes Wissen, das keine Rettung bringt. Die schönsten Worte: „Mein Gott“ werden in Heuchelei missbraucht. Diese Anrede ist sonst die Summe des Gebetes. Heuchlerische Menschen ziehen aus der Bibel ein Komplimentierbüchlein, wo sie Formeln finden, die angewandt werden. Frommklingende Redewendungen ohne jede innere Kraft. Die Anrede: „Mein Gott“ täuscht den vertraulichsten Umgang mit Gott vor, noch durch den Nachsatz: „Wir kennen Dich!“ Eine Anmaßung der Gemeinschaft mit Gott, dass aber der Herr sagt: „Ich kenne euch nicht“, trotz der Doppelanrede: „Herr, Herr!“ (Matthäus 7,22.) Johannes schreibt: „Wer da sagt, dass er ihn kennt, und seine Gebote nicht bewahrt, der ist ein Lügner und die Wahrheit ist nicht in ihm“ (1. Johannes 2,4).

Der Prophet Habakuk bedient sich nur einmal dieser Anrede. Gott droht mit der Ankündigung des Gerichtes. Das grimmige und ungestüme Volk der Chaldäer, schneller als Parder und Abendwölfe, wie fliegende Adler, stehen gegen das Land auf. Im Namen des gläubigen Israel wendet sich Habakuk in zuversichtlicher Hoffnung an den Herrn mit der Frage: „Bist du nicht von der Urzeit her Jahwe, mein Gott, mein Heiliger?“ (Habakuk 1,12). So furchtbar und niederschmetternd die Gerichtsdrohung auch lautet, dennoch schöpft der Prophet aus der Heiligkeit des treuen Bundesgottes Trost und Hoffnung, dass Israel nicht sterben wird. Das Gericht ist nur eine schwere Züchtigung. Die Gebetsfrage, mit welcher er sich zur Glaubenshoffnung emporringt, stützt sich auf zwei Gründe: 1. Jahwe ist von Alters her Israels Gott; 2. Er ist der Heilige Israels, der keinen Frevel ungestraft hingehen lässt. In der Frage sind drei Prädikate Gottes gleich schwerwiegend. Jahwe ist der Gott, zu dem der Prophet betet, Er ist in Wort und Tat der Ewiggleichbleibende; Elohai - Mein Gott, ist Israels Gott, der sich seit der Urzeit immer als der Gott Seines auserwählten Eigentumsvolkes bezeugt. „Mein Heiliger“ ist der absolut Reine, der das Böse nicht ansieht und nicht duldet, dass der Frevler den Gerechten verschlingt.

Im Propheten Sacharja stehen zwei Stellen mit der Gebetsanrede „Mein Gott“ in Verbindung. Die Herde wird zerstreut, zwei Drittel werden davon dem Tode überliefert, ein Drittel bleibt am Leben. Das übrig gebliebene Drittel soll durch schwere Trübsale geläutert werden, um es von allem Sündigen zu reinigen und zum heiligen Volk zu machen. Das wie Gold geläuterte Volk (vgl. Jesaja 1,25; Jesaja 48,10; Jeremia 9,6; Maleachi 3,3; Psalm 66,10) wird nach der oft wiederholten Verheißung von Gottes Wohnen unter Seinem Volk (Sacharja 8,8; Hosea 2,25; Jeremia 24,7; Jeremia 30,22), den Namen Jahwes anrufen und Er wird ihm antworten (vgl. Jesaja 65,24), dass es von Gott heißt: „Ich spreche, mein Volk ist es, und es wird sprechen; Jahwe, mein Gott“ (Sacharja 13,9). Das heilige Volk pflegt dann den vertrautesten Gebetsumgang mit Jahwe, Seinem treuen Bundesgott. - Sacharja schaut auf den Tag des Herrn. Für Israel bringt dieser Tag zunächst Unglück und Verderben. Das Unheil veranlasst Jahwe durch Vernichtung der Feinde und durch Rettung Seines Volkes, Seine göttliche Macht und Herrlichkeit zu offenbaren. Jahwe zieht für Sein Volk zum Kampfe, wie das mehr als einmal geschah (vgl. Josua 10,14.42; Josua 23,3; Richter 4,15; 1. Samuel 7,10; 2. Chronika 20,15). Für die Rettung Seines Volkes wird der Ölberg gespalten, dass die Seinen in das Tal der Berge fliehen können. Jahwe kommt dann mit Seinen heiligen Engeln, um durch Gericht Sein Reich zu vollenden, Jerusalem in Herrlichkeit zu verklären. Der Herr erscheint dann sichtbar. Die Gläubigen harren auf diese Erscheinung, weil sie ihnen die Erlösung bringt (Lukas 21,18). Das fröhliche Harren kommt dann in der Anrede: „Mein Gott“ (Sacharja 14,5) zum Ausdruck.

Damit sind alle Stellen des Alten Testamentes im Zusammenhang beachtet und kurz erläutert, in denen die vertrauensvolle Gebetsanrede: „Mein Gott“ vorkommt. Im Neuen Testament kommt diese Anrede nur zweimal im Johannesevangelium und einige Male in einzelnen Paulusbriefen vor. Es ist hier hauptsächlich keine Gebetsanrede, sondern mehr ein Glaubensbekenntnis und eine Versicherungsformel. Jesus kündigte den Jüngern nach der Auferstehung Seinen Hingang zum Vater an. Wenn Er ihnen auch äußerlich dadurch entzogen wird, dürfen sie Seiner durch Ihn vermittelten Gottesgemeinschaft gewiss sein und bleiben. Der Herr sagt in diesem Sinne: „Ich gehe zu meinem Vater und zu eurem Vater, und meinem Gott und zu eurem Gott“ (Johannes 20,17). Jesus sagt nicht, „unser Vater“, sondern „mein“ und andererseits „euer“, meine Natur und eure Gabe. Und mein Gott und euer Gott. Er sagt hier nicht „unser Gott“, unter welchem auch Ich ein Mensch bin, euer Gott, unter welchem Ich Selbst der Mittler  bin. Jesus sagt nicht: „Ich fahre auf zu unserem Vater und zu unserem Gott, sondern zu Meinem Vater und zu eurem Vater und zu Meinem Gott und eurem Gott!“ Jesus schließt Sich so in dieser Weise nicht mit den Brüdern zusammen, damit zwischen Ihm und den Seinen der Unterschied bleibt, dass Er von Natur Gottes Sohn ist, sie aber durch Gottes Gnade Gottes Kinder sind.

Vielfach spricht der Volksmund vom ungläubigen Thomas. Das Bekenntnis zu Jesus: „Mein Herr und mein Gott“ (Johannes 20,28; vgl. Psalm 35,23), bezeugt Jesus nach der Auferstehung als „Gott“. Die Anrede: „mein“ enthüllt den Ernst und die Wahrheit: „Du bist mein mit all deinem Leben, all deiner Liebe.“ Er sagt gleichsam: „Ich bin Dein, Ich liebe Ihn und lebe Ihm.“ Das ist mehr als ein bloßer Name, dennoch genügt der Name Gottes, wenn er persönlich ergriffen und angerufen wird.

Paulus verbindet an vier Stellen mit „Mein Gott“ die Danksagung (Römer 1,8; 1. Korinther 1,4; Philipper 1,3; Philipper 4). Gott ist durch Christum sein Gott geworden. Er dankt darum dem Gott und Vater durch Ihn. Der Apostel ist so innig mit Gott verbunden, dass er sich auch eine Demütigung von Ihm auferlegen lässt (2. Korinther 12,21). Die Liebestat, die er von den Philippern empfing, war ein Duft des Wohlgeruches. Der Apostel hatte die Zuversicht, dass er schrieb: „Mein Gott aber erfülle allen euren Bedarf nach seinem Reichtum in Herrlichkeit in Christo Jesu“ (Philipper 4,19). Durch die Auferstehung Christi kann Gott unser Gott und unser Vater genannt werden. Für alle Lebenslagen ist es von Wichtigkeit. Die ganze Abhandlung von der Gebetsanrede: „Mein Gott“ kann anregen, die Innigkeit der Gemeinschaft mit Gott zu stärken und zu fördern.

Abraham Meister "Namen des Ewigen"

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