Samstag, 24. November 2018

Geist der Besonnenheit

griechisch „pneuma tou sophronismou“, eine Bezeichnung, die nur einmal vorkommt (2. Timotheus 1,7). Es ist die Fähigkeit, sich immer bewusst zu sein, was getan werden muss. Furcht, Menschengefälligkeit oder eine Leidenschaft, können einen, der diese Geistesgaben hat, nicht vom rechten Wege ablenken. Die Möglichkeit, einen gesunden Leib mit starken Kräften in ausgeglichener Weise in Schranken zu halten, heißt Besonnenheit. Ein übermäßiger Gebrauch der Kräfte verdirbt alles und nützt nichts. Das griechische „sophronismos“ bezeichnet eine Gemütsbeschaffenheit, die sich im Deutschen nicht mit einem Worte ausdrücken lässt, am wenigsten durch „Zucht“, oder „Geist der Zucht“ (Nr. 229 siehe dort). Luther überträgt meistens den Ausdruck und seine verwandten Worte in den Pastoralbriefen mit „Zucht“ und „züchtig“, oder „züchtigen“ (vgl. 1. Timotheus 2,9.15; Titus 1,8; Titus 2,12), womit der Begriff nicht ganz erklärt ist.

Für die Klarstellung des Begriffes „sophronismos“ ist es ratsam, auf die verwandten Worte und Ableitungen des Ausdruckes zu achten. Das Adjektiv „sophron“ heißt soviel wie „gesund im Gemüt“, „klug, verständig, weise sein“, alle Dinge geistlich und richtig beurteilen zu können, nach ihrer Beschaffenheit zu verstehen, die Ordnung und das rechte Maß zu halten (vgl. 1. Timotheus 3,2; Titus 1,8; Titus 2,2.5). Das Adverbium „sophronos“ bedeutet „nüchtern, ruhig, enthaltsam“ (Titus 2,12). Das Verbum „sophoronein“ hat den Sinn bei gesundem, nüchternem Verstande sein (Markus 5,15; Lukas 8,35; 2. Korinther 5,13), mäßig sein, die Begierden im Zaume halten (Titus 2,6; 1. Petrus 4,7), im Gegensatz zur Selbstüberschätzung (Römer 12,3). Das Verbum „sophronizein“ bedeutet, „klug und weise machen“, oder „zur Gesundheit des Gemütes führen“. Das verwandte Substantiv „sophrosyne“ - „der gesunde, reife Verstand“ (Apostelgeschichte 26,25) ist eine Selbstverherrlichung (1. Timotheus 2,9.15). Der Geist der Besonnenheit gehört zur Erziehung der Gemeinde, vor allem auch zur Selbsterziehung (vgl. 1. Korinther 9,27). Es ist ein Geist, der nüchtern macht und auf den richtigen Weg leitet, der jede Abirrung von der gesunden Lehre straft und züchtigt.

Die grundtextliche Redewendung, „pneuma tou sophronismou“ bringt eine geistliche Gemütsverfassung zum Ausdruck, die fähig ist, alle Tätigkeiten richtig zu beurteilen und alle Ratschläge und Handlungen vorsichtig auszuführen. Der Geist der Besonnenheit regiert die Kraft und die Liebe; er gehört zu dem erleuchteten Verstand, während die Kraft und die Liebe dem geheiligten Wandel angehören.

Die Übersetzung der Vulgata „sobrietatem“ - „Nüchternheit“ trifft nicht ganz den Sinn. Beza übersetzt besser „sanitatem animi“ - „Gesundheit des Gemütes“. Es ist die Selbstbeherrschung, welche zur weisen Handlung die Kraft verleiht und in allem das rechte Maß und Ziel einzuhalten weiß. Dieses Verhalten ist bei der Tapferkeit sehr wertvoll, damit sie nicht in Verwegenheit, in rasende Wut und Unbescheidenheit umschlägt. Die Fähigkeit, mit Klugheit und einem gesunden Gemüt des gläubigen Herzens den ganzen Sinn so auszurichten, dass alles zum Ziele der Heiligung leitet, ist eine Frucht des Geistes, der alles nach Seinem Willen austeilt (1. Korinther 12,4). Die Verbindung dieser Geistesgabe mit dem Geist der Kraft (Nr. 206 siehe dort) und der Liebe (Nr. 209 siehe dort) im Gegensatz zum Geist der Furcht (Nr. 189 siehe dort) ist sinnvoll und beachtenswert (vgl. 2. Timotheus 1,7).

Abraham Meister, "Namen des Ewigen"